Pfauder, Wolfgang (2017) CC BY-NC-SA

Beschreibung

Cul-de-lampe in Form eines gleichschenkeligen liegenden Balkenkreuzes, unten mit Appliken: 4 Palmettenornamente, eine elaborierte Mittelrosette mit Knospenabschluss, seitlich umlaufend Blattranken; auf dem Kreuz knien 4 modellgleiche Genien mit nach oben leicht geöffneten Flügeln im patinierten Gewand, in ihren rechten Händen je ein kleiner Ring mit Blattmotiv; daran je eine an 3 Ketten hängende Schale; Umriss der Schalen aus 5 konkaven Segmenten mit Perlstab-Einfassung, an den Spitzen der Schalen ehemals 5 Kerzen, mittig ein Kerzendorn (ergänzt); Palmettenrosetten-Abschluss und kleine Rosetten unter den Tüllen; Cul-de-lampe wird von einer kannelierten, durch Akanthusblatt-Manschetten gegliederten Mittelstange (Seele) getragen. Der Leuchter besitzt eine bewegte Geschichte. Er entstand aufgrund eines äußerst kostspieligen Geschenks in Form eines Spiegel-Ensembles, welches Königin Luise von Zar Alexander von Russland erhielt. (1) Darunter befand sich ein großer Standspiegel, auf dessen seitlichen Podesten ampeltragende, geflügelte, weibliche Figuren platziert waren. Luise hing sehr an dem Geschenk des Zaren und ihr gefiel das Motiv der ampeltragenden Figuren. (2) Daher „reservirte“ sie sich diese Idee 1806 in Form eines Leuchters, der das boisierte Eckzimmer des Potsdamer Stadtschlosses zieren sollte. (3) Nach Oberhofmarschall Ludwig von Massow stammt die Zeichnung des Leuchters vom Schlossbaumeister Ludwig Bock. Die Zuschreibung an Bock, die einige Jahre nach Anfertigung der Zeichnung getätigt wurde, bleibt fraglich, zumal weder Entwürfe zu Objekten der Innenausstattung von Bock bekannt sind noch das Entwerfen zum klassischen Aufgabengebiet eines Schlossbaumeisters gehörte. Ob das Blatt vielmehr von Friedrich Rabe (4), Friedrich Gottlieb Schadow oder einem anderen Zeichner stammte, bedarf weiterer Forschungen. „Mit mehreren Abänderungen, welche zur Verschönerung des Kronleuchters Vieles beitrugen“, wurde die Zeichnung im März oder April 1806 durch eine Hofdame Luises zur Ausführung in die Werkstatt der Bronzefabrikanten Werner & Mieth gebracht. (5) 1810 wird der Leuchter durch Werner & Mieth auf der Akademieausstellung gezeigt (6) und 1811 im „Journal für Kunst, Kunstsachen, Künsteleien und Mode“ publiziert (7). Die Änderungen zwischen erster Idee und Ausführung betrafen vor allem den unteren Bereich des Leuchters, der anstatt in Form eines kissenartig, wohl aus Glas gedachten Abschlusses nun einen in Reihung gestalteten Glasbehang zeigte. Das gleichschenkelige Kreuz wurde verdickt sowie ornamentiert und die Haltestange erhielt Efeudekor. Die Rechnung mit ausführlicher Beschreibung weist einen Betrag von 1400 Courant Rt. aus. Kurz vor der Hängung im Luisenmausoleum ließ man den Glasbehang entfernen und die Efeuranken durch Akanthusblatt-Kränze ersetzen. (8) Diese Änderungen kosteten nochmals 172 Reichstaler. (9) Im Berliner Kupferstichkabinett, dem Nachlass von Karl Friedrich Schinkel zugeordnet, befindet sich das Fragment einer Zeichnung, die einen Teil des Leuchters zeigt. Diese Skizze gilt seit der ersten Zuordnung 1982 als Beleg für Schinkels Autorschaft am Luisen-Leuchter. (10) Obwohl Schinkel laut jüngsten Forschungen auch den Entwurf zum heutigen Mausoleum lieferte, zeigt das kleine Blatt wohl kaum seine Handschrift. (11) Der Zeichner vermeidet Deutlichkeit in allen anspruchsvollen Partien und es ist für einen geübten Entwerfer kaum vorstellbar, dass er die Spiegelachse nicht konsequent zugrunde legt oder ein zum Grundrepertoire gehörendes Akanthusblatt-Dekor derart müde versteht. (12) Besonders die neu zu gestaltenden Elemente der Haltestange lassen jeden entwurfskünstlerischen Ansatz vermissen. Der Skizze fehlt die für Schinkel typische Suche nach der richtigen Form, der optimalen Gestaltung, die sich dem Betrachter als ein Prozess offenbart. (13) Das Blatt zeigt vielmehr in einer Art Nachzeichnung etwas bereits Vorhandenes – also den Leuchter, wie er in der Kapelle bereits aufgehängt war. Diese These wird durch die Beischrift „O. links in der Halle“ untermauert. Darüber hinaus ist die Provenienz des Blattes unklar (14) und in beigefügter Notiz nicht Schinkels Handschrift zu erkennen (15). Bei dieser Zeichnung handelt es sich weder um einen Entwurf noch um eine Zeichnung aus der Hand von Karl Friedrich Schinkel. Dementsprechend sollte seine Autorschaft am Luisenleuchter aus anderer Perspektive neu diskutiert werden. 1: Das Ensemble bestand aus dem Standspiegel, zwei Lapislazuli-Duftvasen sowie zwei kleinen Tischen mit Malachitplatten. Die von dem Architekten und Designer Andrej Voronichin (1759-1814) signierten Zeichnungen zum Ensemble entstanden 1803 und befinden sich im Architekturmuseum in Moskau. Burkhard Göres hatte die Zeichnungen Voronichins bereits 1975 im Zentralarchiv in Leningrad (St. Petersburg) ausfindig gemacht und dem Spiegelensemble zugeordnet. -Siehe Göres 1992, S. 88-93. 2: GStA PK, BPH, Rep. 49, Nr. 63, o. Fol. Luise bittet in einem Brief aus Königsberg vom 25. Juni 1809 Hofrat Lentz ihr „gesamtes Mobiliar von Werth“ im Falle einer Besetzung Berlins zu retten. Neben ihren Bronzen nennt sie den „großen russischen Spiegel“. 3: 740 GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 20586, fol. 15. Oberhofmarschall Ludwig von Massow am 18. April 1811 über den 1806 von Königin Luise bestellten Kronleuchter: „Ihre Majestät die Königinn reservirte sich damals, die Idée zu diesem Kronleuchter zu geben und ließen nach Ihrer Angabe hierzu eine Zeichnung vom Schloßbaumeister Bock entwerfen […] die Zeichnung folgt anbei“. 4: Diese Annahme vertritt Frank C. Möller, Fine Art, Hamburg. 5: GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 20586, fol. 15. 6: Börsch-Supan 1971, ad. a. 1810, Nr. 417 (23. Sept. 1810). 7: Rockstroh (Journal) 1810-1811, 1810, Bd. 2, Juli-Dez., S. 288; Nr. 38, S. 291-295 („Das Mausoleum der Königin Luises v. Pr. in dem kgl. Schloßgarten zu Charlottenburg); S. 369-371 (Nachtrag); 1811, Bd. 3, S. 45-46, Kap. VII ("Ganz neuer, äußerst geschmackvoller Lüster aus der Bronze=Fabrik von Werner & Mieth in Berlin"). 8: Die entsprechenden Ösen für den Glasbehang sind heute noch sichtbar. 9: SPSG, Hist. Akten, Nr. 145 (1810-1812), fol. 23. – Siehe GStA PK, I. HA, Rep. 89, Nr. 20586 fol. 8, Pos. 16. 10: Ausst. Kat. Schinkel 1982, S. 276, Kat. Nr. 16.77. – Ausst. Kat. Schinkel 1980, S. 252, Kat. Nr. 436. 11: Für anregende Impulse und Bestätigungen bezüglich der Abschreibung dieser Zeichnung an Schinkel bedanke ich mich bei Frank C. Möller, Hamburg; Christoph von Wolzogen, Frankfurt am Main; Achim Stiegel, Berlin. 12: Für diese Information danke ich Achim Stiegel, Berlin. 13: Kropmanns 2012, S. 235. 14: Das Blatt kam aus einer unbekannten Sammlung, also nicht aus Schinkels direktem Nachlass, nach 1864 ins Kupferstichkabinett. Dank an Anna Pfäfflin, Kuratorin des Schinkel-Nachlasses. 15: Dank an Christoph von Wolzogen Birgit Kropmanns

ObjektartLeuchter
MaßeHauptmaß: Höhe: 160.00 cm Durchmesser: 140.00 cm
MaterialBronze, vergoldet
InventarnummerVIII 1381
Stand der Infomationen2025-02-05 21:23:52
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.

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