Zum Gericht
Beschreibung
Potsdam, 22. August 1856, morgens 9.30 Uhr Auf der Straße vor dem Haus schlug Wilhelmine schon zu dieser Vormittagsstunde die Hitze der späten Augustsonne entgegen. Alles war in ein gleißendes Licht getaucht, so daß sie, eben aus dem dunklen Hausflur kommend, sich für einen Moment die Hand über die Augen halten mußte. Wie üblich herrschte an diesem Ende der Waisenstraße in unmittelbarer Nähe der Zollmauer kein allzu geschäftiges Treiben. Lediglich von der Jäger-Kommunikation her erscholl wie an anderen Tagen auch das metallische Hämmern der Hufschmiede, das sich mit dem Stiefeltritt marschierender Soldaten, dem Wiehern von Pferden und brüllenden Kommandostimmen zu einer ganz eigenen Militärsinfonie mischte. Direkt vor Wilhelmine fuhr in diesem Augenblick ein zweispänniger Landauer mit zurückgeschlagenem Verdeck in gemächlichem Tempo vorüber. Auf der Rückbank saß eine elegante Dame, welche mit ihrer rechten Hand einen aufgespannten Sonnenschirm über den Kopf hielt, während die Linke lässig auf der Lehne ruhte. Einmal beugte sie sich nach vorn und rief etwas dem Kutscher zu, der daraufhin seinen Oberkörper leicht zur Seite drehte und ihr mit einem kurzen Nicken zu verstehen gab, daß er verstanden hatte. Einen Augenblick später bog das Gespann um die Ecke und verschwand in Richtung Jägertor. Auf der gegenüberliegenden Seite schob derweil ein alter, humpelnder Bauer einen zweirädrigen Karren, der übervoll mit Kartoffeln beladen war, vor sich her. Hin und wieder blieb er stehen, um die heruntergefallenen Knollen wieder aufzusammeln, wobei er beim Bücken das rechte Bein abspreizte, als machte er vor den Kindern, die ihn umsprangen und sein Humpeln nachahmten, einen Knicks. Offenbar ein Invalide, dachte Wilhelmine, bestimmt einer von denen, die noch zu Napoleons Zeiten gekämpft haben. Das Verhalten der Kinder empörte sie. „Also, wenn das meine wären, würden sie jetzt schon Rotz und Wasser heulen“, rief sie vernehmlich in deren Richtung. Ein Handwerker, der vorüberging und dies hörte, pflichtete ihr bei: „Das hätten wir uns mal früher erlauben sollen, mein Vater hätte mir den Kopf abgerissen! Die Jugend heutzutage hat einfach keinen Respekt mehr vor dem Alter. (...)“
Rendering | |
70 x 100 cm | |
Digitaldruck | |
Ab-2008-05 | |
2025-02-05 21:23:51 | |
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Schlagworte
Dieses Objekt im Museum
Das im Januar 2005 eröffnete Museum ist ein begehbares Baudenkmal aus dem Jahr 1826. Die verschiedenen Räume präsentieren sich im Stil des Biedermeiers. Es wurde nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert. Die Dauerausstellung erzählt die Geschichte der Kolonie Alexandrowka. Im Nebengebäude befinden sich der Museumshop und das Café. Ein Begleitbuch führt durch die Geschichte der Monarchien Russland und Preußen um 1826. Der Lennésche Garten ist seit Anfang an ein unzertrennbarer Teil von Alexandrowka. Die Lennésche Anlage wurde im Rahmen der BUGA 2001 rekonstruiert und seitdem sind Hunderte alte Obstsorten beheimatet.