Lindner, Daniel (2021) CC BY-NC-SA
Lindner, Daniel (21.12.2021) CC BY-NC-SA
Lindner, Daniel (21.12.2021) CC BY-NC-SA
Lindner, Daniel (2021) CC BY-NC-SA
Lindner, Daniel (2021) CC BY-NC-SA
Lindner, Daniel (2021) CC BY-NC-SA

Beschreibung

Die "Spinnerin" modellierte Schadow im Jahr 1816. Die dargestellte junge Frau hält ein fertiges Garnknäuel in der erhobenen linken Hand. Der herabhängende Faden und die daran befestigte Handspindel fehlen heute. Die vieldeutige Figur – Spinnerin oder Schicksalsgöttin – war ungemein populär. Sogar Gedichte wurden ihr gewidmet. 1821 erwarb der preußische König diese Skulptur, unwissend, dass sie bereits dem bayerischen Kronprinzen gehörte. Damit sorgte er kurzzeitig für eine diplomatische Krise. 1818 bestellte der Kronprinz von Bayern, der spätere König Ludwig I., bei Schadow in Rom ein Exemplar der "Spinnerin". Er bezahlte den Künstler, so dass dieser den dafür nötigen Marmor kaufen konnte. Um seine Werke in Berlin bekannter zu machen, sandte Schadow 1820 diese Figur und eine "Sandalenbinderin" zu seinem Vater. Johann Gottfried Schadow richtete eine kleine Ausstellung in seinem Atelier aus und lud auch die königliche Familie zur Besichtigung ein. König Friedrich Wilhelm III. von Preußen kaufte Anfang 1821, nach einigen Tagen Bedenkzeit, die "Spinnerin" und die "Sandalenbinderin". Was folgte, war für Ridolfo höchst unangenehm: Er musste dem bayerischen Kronprinzen mitteilen lassen, dass der preußische König sein Eigentum, die "Spinnerin", gekauft hatte. Um dieses Dilemma zu lösen, begann Ridolfo sogleich mit einer neuen Ausführung für den bayerischen Kronprinzen. Unglücklicherweise verhinderte sein früher Tod, dass dieses Exemplar jemals vollendet wurde. Heute sind noch acht Exemplare der "Spinnerin" bekannt (Liverpool, Walker Art Gallery; Mailand, Galeria d'Arte Moderna; Mailand, Pinacoteca Ambrosiana; St. Petersburg, Eremitage; Köln, Wallraf-Richartz-Museum; Privatbesitze), wobei die Wissenschaft von einer höheren Zahl ausgeht, die Schadows Werkstatt verließen. Ridolfo Schadow begeisterte mit der "Spinnerin" das Publikum. Grazil wirkt diese Darstellung einer jungen Frau. Das kunstvoll frisierte Haar ist ihr einziger Schmuck. Aufmerksamkeit erregte sicherlich auch das sich eng an den Körper schmiegende leichte Gewand. 1816, Schadow hatte die Skulptur gerade entwickelt, zeichnete sie Ignazio Podio (aktiv 1810-1830), und Domenico Marchetti (1780-1838) fertigte davon Kupferstiche an. Marchetti war für die Bildhauer Roms, allen voran Antonio Canova und Bertel Thorvaldsen, einer der wichtigsten Kupferstecher, der ihre Bildwerke in das Zweidimensionale bannte. Sehr gut sind an den beiden Kupferstichen der "Spinnerin" die heute fehlenden Teile der Skulptur zu sehen: Faden und Spindel. Sie erleichtern es zu erkennen, welcher Tätigkeit die junge Frau nachgeht. Das hier gezeigte sogenannte „Spinnen im Flug“, ohne das geläufige Spinnrad, war bis in das 20. Jahrhundert hinein üblich. Gewöhnlich gehörte noch der Spinnrocken dazu, ein stabförmiger Gegenstand, auf dessen Ende die rohe Wolle gesteckt wird. So zeigt es Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853) in seinem Aquarell einer spinnenden Römerin. Mit der Darstellung einer "Spinnerin" eröffnete Schadow dem Publikum ein breites Spektrum von möglichen Interpretationen. Stellte er etwa die Parze Nona (griech.: Klotho) dar, die den Lebensfaden spinnt, bevor ihre ältere Schwester diesen durchtrennen wird? Und wie fügt sich diese Skulptur in das Ensemble der anderen zwei sitzenden Mädchen ("Sandalenbinderin", "Mädchen mit Tauben/Die Unschuld" ein? Das Thema der "Spinnerin" war zum Anfang des 19. Jahrhunderts in Poesie und Musik sehr beliebt. Man denke an Johann Wolfgang Goethes „Die Spinnerin“ (1795, vertont von Franz Schubert 1815), Ludwig Tiecks „Die Spinnerin“ (1797, vertont von Fanny Hensel 1823-34) oder Clemens Brentanos „Der Spinnerin Nachtlied“. Auch Schadows "Spinnerin" wurden Gedichte in deutscher und englischer Sprache gewidmet. Sie unterstreichen, wie diese Skulptur als eines der herausragenden Stücke der Bildhauerkunst der Romantik Sehnsucht und Phantasie beflügelte. Die Spinnerin Zu einem Fürsten war ich jüngst gegangen, Im Saale standen leuchtende Gebilde. Es waren jener Männer Wapenschilde, Die „auf die Kraft zum Ziele ließ gelangen“. Da saß ein Mädchen still und unbefangen, Voll Anmuth, Zartheit, jungfräulicher Milde. Wohl gleicht sie Hesperos im Sterngefilde In ihres Zaubers unbewußtem Prangen. Grüss‘ ich in dir die Herrinn dieser Gauen? Die nur zum Spiel die Spindel in der Hand? Verließest Du, o Charis, Hella’s Auen, Und spinnst du hier Zytherens Busenband? So rief ich aus. Sie aber sprach: Ich bin Des lieben Meisters Schadow Spinnerinn. Johann Graf Mailath Gedicht auf die "Spinnerin" der Esterházyschen Sammlung, in: Zeitschrift für Kunst, Litteratur, Theater und Mode, 21.11.1821 Die Spinnerin. Statue von Schadow dem Jüngeren in Rom. Die Jungfrau trägt die Spindel in den Händen, Der Glieder Pracht hält das Gewand umfangen Und stolze Ruh umspielt ihr Stirn‘ und Wangen Sie weiß, sie kann, was sie begann, vollenden. Es wird der Sieg sich nimmer von ihr wenden Wer wagt an ihrem stolzen Blick zu hangen, Vergeht in Sehnen und in Glutverlangen, Und fleht umsonst ihm Liebeswort zu spenden. So sieht man sie mit stolzem Selbstvertrauen Kühn in den Sonnenglanz des Lebens schauen, Verschmähend noch der Liebe Rosenauen. Pygmalion, zurück! Was frommt dein Streben Der Künstler schuf in Stein ein blühend Leben, Doch nimmer wird die Seele niederschweben. Elise von Hohenhausen, in: Zeitung für die elegante Welt, Nr. 240, 1821, Sp. 1913-1914 Statue of the spinning girl, At Chatsworth, the seat of the Duke of Devonshire. SPIN on, most beautiful. There's none to mock Thy simple labour here. Majestic forms Of high renown, and brows of classic grace, Whose sculptured features speak the breathing soul, Rise in illustrious ranks, but not to scorn Thy lowly toil. Even so it was of old, That woman's hand, amid the elements Of patient industry and household good, Reproachless wrought, twining the slender thread From the light distaff, or in skilful loom Weaving rich tissues, or with glowing tints Of rich embroidery, pleased to decorate The mantle of her lord. And it was well ; For in such shelter'd and congenial sphere Content with duty dwelt. Yet few there are, Sweet Filatrice, who in their earnest task Find such retreat as thine, mid lordly halls, And sparkling fountains, and umbrageous trees, And parks far stretching, where the antler'd deer Forget the hound and horn. And we, who roam Mid all this grand enchantment - proud saloons, And galleries radiant with the gems of art And genius, ravish'd from the grasp of time And princely chapel, uttering praise to God Or lose ourselves amid the wildering maze Of plants, and flowers, and blossoms, breathing forth Their eloquence to Him - delighted lay This slight memorial at thy snowy feet. Lydia Huntley Sigourney, 1841 Sylva van der Heyden (Lit.: Eckardt, Götz: Ridolfo Schadow. Ein Bildhauer in Rom zwischen Klassizismus und Romantik, Köln 2000 (LETTER-Schriften, 13), S. 95-96, WVZ 373)

Objektart Sitzstatue
Maße Hauptmaß: Höhe: 125.00 cm Breite: 58.00 cm Tiefe: 77.00 cm - Plinthe: Breite: 47.50 cm Länge (+ Zehenspitze): 77.00 cm
Material Marmor
Inventarnummer Skulpt.slg. 5579
Stand der Infomationen 2025-02-05 21:23:49
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.

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