Handrick, Roland (2000) CC BY-NC-SA

Beschreibung

Die Stickerei in arabischer Technik mit ihrer unbekümmert lebendigen Verteilung der nur ungefähr achsensymmetrisch angelegten Ranken, ihren Motiven mit abgeknickten Lanzettblättern und Granatapfelblüten entsprechen orientalischen Stickereien, wie sie etwa im Gebiet des Kaukasus Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt wurden (Nach dem freundlichen Hinweis von Reingard Neumann und, Berlin, SMBPK, Museum für islamische Kunst). Wie diese oder auch die anderen orientalischen Decken IX 1206 und IX 1039 in Besitz des Kaiserhauses gelangte, ist nicht überliefert. Möglicherweise bildeten sie ein Geschenk des Sultans an Kaiserin Auguste Viktoria während ihres Staatsbesuchs in Konstantinopel, von dem die kaiserliche Hofdame Gräfin von Keller in ihren Memoiren anschaulich berichtete. So stattete das Kaiserpaar nach Hochzeitfeier Sophies, Schwester Kaiser Wilhelms II., in Athen im November 1889 einen Besuch in Konstantinopel ab. Vom einem Basarbesuch am letzten Tag berichtet die Gräfin: "Am nächsten Morgen, unserm Abreisetag, besuchten wir eine sehr reichhaltige Ausstellung türkischer Erzeugnisse der verschiedensten Sachen, prachtvolle alte und neue Teppiche, Stoffe in einfachen und kostbaren Geweben, Stickereien, Schmuck, Porzellan usw. usw. Sie war sehr interessant, und doch war uns die Besichtigung höchst peinlich, da der Sultan uns hatte mitteilen lassen, wir möchten uns von den Sachen auswählen, was wir wollten, es würde dann alles verpackt und nach Deutschland geschickt werden. Als der Kaiserin und uns Damen dieser Bescheid durch die Botschaft übermittelt wurde, sollte natürlich von dem Besuch Abstand genommen werden. Herr v. Radowitz [deutscher Botschafter in Konstantinopel] beschwor uns aber, diesen Gedanken aufzugeben, der nach orientalischen Begriffen einfach unmöglich sei und sehr verletzen würde; wenn wir nur irgendeinen wertlosen kleinen Teppich oder dergleichen aussuchten, könnte die peinliche Situation ja leicht überwunden werden. Und so geschah es denn auch, und bei uns Damen ging auch alles gut ab. Bei der Herrin gestaltete sich die Angelegenheit aber weit schwiereiger, da sie die Gegenstände nicht einmal bewundern durfte! Sowie sie ein Wort der Anerkennung aussprach, wurde der Gegenstand sofort zurückgestellt, und so verstummte die hohe Frau allmählich, worauf mir Munir=Pascha [erster Zeremonienmeister] ganz betrübt sagte: `Ihrer Majestät hat die Ausstellung ja gar nicht gefallen` [...]." (Keller 1935, S 120) Da sich diese wie auch die anderen Decken in die Zeit des Staatsbesuches datieren lassen und in ihrer Vielfalt von Motiven und Stickformen auf verschiedene Herstellungsorte weisen, liegt eine Verbindung der Decken mit dem beschriebenen Bazarbesuch nahe. Ihre eher kleinen Ausmaße, doch jeweils kostbaren Gestaltungen lassen sich auch gut mit dem beschriebenen Vorhaben verbinden, bei der Besichtigung ein paar kleinere, weniger wertvolle Dinge auszuwählen. Doch können die Decken auch als Geschenke der kaiserlichen Schwester bzw. Tochter aus Athen nach Potsdam gelangt oder auf einer der anderen Reisen des Kaiserpaares in den Vorderen Orient erworben worden sein. Uta-Christiane Bergemann

Objektart Stickerei / Spitze
Maße Hauptmaß: Höhe: 105.00 cm Breite: 105.00 cm
Material Metallgespinst um weiße Seidenseele, Seide, Baumwolle, rot: Goldstickerei, Anlegetechnik mit mustermäßigen Überfangstichen, Steppstich
Inventarnummer IX 1027
Stand der Infomationen 2023-10-05 23:54:54
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.

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