Kaminschirmbespannung mit reliefierter Goldstickerei
Beschreibung
Als Friedrich II. in den Jahren nach seinem Regierungsantritt 1740 zahlreiche Räume im Potsdamer Stadtschloss zunächst für sich und später auch für Gäste neu ausgestalten ließ, spielten Stickereien eine wichtige Rolle. Entweder bildeten bestickte Wandbespannungen als Alternative zu geschnitzten oder bemalten Paneelen das hauptsächliche Dekorationselement der Räume, oder sie traten in kleinerem Zusammenhang wie auf Kaminschirmen in Dialog zur sonstigen Ausstattung.Alle Wandbespannungen gingen verloren. Einzige Zeugen dieser einstigen Ausstattungskunst sind zwei von ehemals drei gleichartigen Kaminschirmen mit reicher, sehr plastisch gearbeiteter Gold- bzw. Silberstickerei. Der eine Kaminschirm (IX 967) stand im Konzertzimmer des Stadtschlosses und wurde in enger Abstimmung auf die grünen Wände und rosa Stuckdecke mit ihren vergoldeten Schnitzereien, die ebenfalls Bündel mit Musikinstrumenten zeigten, in reliefierter Goldstickerei auf zuerst roten, später grünen Samt gestickt. Der andere (IX 968) stammt aus dem Arbeitszimmer Friedrichs II., wo seine Silberstickerei, hier auf gelbem Samt, auf die in Silber - allerdings auf blauem Fond - dekorierten Wände und die Stuckdecke antwortete. Ein dritter Kaminschirm, der ebenfalls das Motiv in Goldstickerei auf rotem Samt barg, jedoch in freierer Abwandlung, stand im Bronzesaal und ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Wegen der motivischen Ähnlichkeiten der Stickereien zur Wandgestaltung des Konzertzimmers mit ebensolchen Bündeln mit Musikinstrumenten liegt die Vermutung nahe, dass der dortige Kaminschirm zuerst entworfen wurde und die anderen wohl wegen der sehr gefälligen Wirkung das Motiv wiederholten. Wer die Stickereien fertigte, ist nicht mit Sicherheit überliefert. Die technisch anspruchsvolle Ausführung und gekonnte Gestaltung weist aber sicherlich auf professionelle Goldsticker. Mitte des 18. Jahrhunderts arbeiteten sieben Goldstickerwerkstätten in Berlin, darunter die vielfach bezeugte Stickerfamilie Pailly und Mathias Immanuel Heynitschek. Beide werden in den Abrechnungen des Hofes und in den Berliner Adreßbüchern als Hofgoldsticker bezeichnet. Die vollständig erhaltenen Schatullrechnungen Friedrichs II., die seine privaten Ausgaben belegen, nennen unter den Abrechnungen zu Goldstickereien ausschließlich entweder Pailly oder Heynitschek. Beide Sticker sind auch für weitere Ausstattungsarbeiten des Potsdamer Stadtschlosses zur Zeit der Entstehung der Kaminschirme bezeugt: So berichtet etwa Nicolai vom Wohnzimmer in den neuen Zimmern, es sei "mit apfelgrünem Atlas tapeziert, worauf mit Gold erhöhete Dekorationen, und Fruchtgehänge von Blumen mit natürlichen Farben sehr reich und schön von Pailly in Berlin gestickt sind." Diese Zuweisung an Pailly bestreitet allerdings Foerster in seinem Artikel des Künstlerlexikons zu Heynitschek und weist diesem die Stickereien zu. Das königliche Audienzzimmer war Nicolai zufolge mit einer "Tapete auf gelbem Sammt [ausgestattet], sehr hoch mit Silber und sehr schön, von Heinitschek gestickt [...]." Auch hiergegen wendet sich Foerster, der Pailly die Tapeten und Möbelbezüge der Drap d’Argent Kammer und des anstoßenden Audienzzimmers von gelbem Samt "in Silber brodirt mit naturellen Blumen von Chenille" wohl aufgrund einer aufgefundenen Quelle zuspricht. Leider gibt Foerster keine Quellennachweise, so dass heute eine Entscheidung über die Richtigkeit seiner Behauptungen nicht zu treffen ist. Damit legen die vorliegenden Hinweise nahe, dass die beiden Kaminschirme entweder von Heynitschek oder von ihm und Pailly gefertigt wurden. Uta-Christiane Bergemann
Stickerei / Spitze | |
Hauptmaß: Höhe: 119.50 cm Breite: 113.50 cm Tiefe, etwa: 4.00 cm | |
Chenille, reliefierte Goldstickerei, Sprengtechnik, Anlegetechnik, ineinander greifender Plattstich - Goldlahn - Goldgespinst - Seide - Pailletten - Stickgrund: Seide, Samt | |
IX 967 | |
2023-10-05 23:54:54 | |
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Dieses Objekt im Museum
Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.