Handrick, Roland (2000) CC BY-NC-SA

Beschreibung

Darstellung von Sitz und Armlehnen wie Inv.Nr. IX 1006, ebenso Stickerei. Die Darstellung der drei Polsterflächen der Rückenlehne zeigen wie IX 1006 Szenen nach Torquato Tassos "Gerusalemme Liberata". Rechts und in der Mitte sind Szenen aus dem zweiten Gesang wiedergegeben: der Gesandtenbesuch von Alet und Argant vor Gottfried von Boullion und seinem Gefolge; Clorinda, die sich nach den auf dem Scheiterhaufen an einen Pfahl gebundenen Sophronia und Olind erkundigt. Links ist aus dem vierten Gesang die Szene dargestellt, als Armina vor Gottfried tritt, um ihn mit ihrer Schönheit zu betören und ihn von seinen kriegerischen Absichten abzubringen. Eustatio, der Bruder Gottfrieds, führt sie zu ihm. Die heterogene Kombination der Polsterbespannungen, die sich in Darstellung, Material und Farbwahl voneinander unterscheiden, resultiert aus einer Verwendung alter und neuer Teile. Während die Gestelle und die Sitzpolster aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen und die Bezüge in den Maßen auf die Gestelle abgestimmt wurden, weisen die Beschneidungen der Stickereien an den Armlehnpolstern auf deren Herkunft aus einem größeren Zusammenhang hin. Möglicherweise wurden sie als brauchbare Teile aus einer älteren Stickerei (erste Hälfte 19. Jahrhundert?) ausgeschnitten und wiederverwendet. Die Stickereien der Rücklehnenpolster passen weder im Charakter der Darstellung noch in den Maßen zu den Gestellen und den anderen Stickbezügen. Sie wurden vergrößernd sowohl aus anderen Teilen der Originalstickerei als auch aus zugefügten neuen Stickereien ergänzt. Offensichtlich wurden sie für einen anderen Zusammenhang, wohl eine andere Polstermöblierung, hergestellt und zweckfremd verwendet. Bei dem Vergleich des Sofas mit einem weiteren, nicht erhaltenen auf einem Foto aus den Paradekammern des Berliner Schlosses fällt auf, dass im Geggensatz zur dreigeteilten Rückenlehne des erhaltenen Sofas das nicht erhaltene eine andere, durchgehende Rückenlehnengestaltung mit einer großen Stickszene aufwies. Demgemäß war auch das Rahmengestell unterschiedlich mit nur einer Schweifung der Rückenlehne gearbeitet. Diese individuelle Sofagestaltung legt nahe, dass die Gestelle mit Rücksicht auf den vorhandenen Bestand der Stickereien angefertigt wurden. Woher diese Stammten, ist nicht bekannt. Die Motive verbildlichen Szenen aus Torquato Tassos Gerusalemme liberata (1581). Lediglich die rechte Szene des Sofas lässt sich bislang auf eine der bekannten Illustrationen des Werkes zurückführen, und zwar auf diejenigen von Bernardo Castello, die erstmals 1590 und später in zahlreichen Neuauflagen erschienen. Die Stickerei ist eine in Figurenpersonal und Bildausschnitt reduzierte Kopie dieser Illustration, die Details variiert: Die Gesichter sind glatter, einfacher modelliert, wirken jünger und klassischer als in der gedruckten Vorlage, sie besitzen einen anderen Ausdruck und leicht unterschiedliche Wendungen der Köpfe. Daher bot wohl nicht die Originalillustration die unmittelbare Vorlage zu der Stickerei, sondern eine leicht veränderte Kopie. Keine der anderen Stickereien stimmen mit den sonstigen Illustrationen von Castello überein. Daher werden sie nach anderen Illustrationen der Dichtung gearbeitet sein, die allerdings einheitlich im Stil der Darstellung und der Figurengestaltung dem Vorbild Castellos folgen. Demzufolge müssten sie ebenfalls Ende des 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts zu datieren sein. Nimmt man angesichts des Aufwandes, mit dem die Gestelle an die Stickereien angeglichen wurden, an, dass die Stickereien alte Originale darstellen, müssten sie demzufolge ebenfalls in das 17. Jahrhundert datiert werden. Die italienische Inschrift in der Darstellung des Armlehnstuhls GK IX 1006 weist auf eine Entstehung in Italien hin. Zweifel an der zeitlichen Zuordnung weckt allerdings der gute Erhaltungszustand der Stickfäden, der sich von demjenigen der Sitzpolster kaum unterscheidet. Wie diese Stickereien in kaiserlichen Besitz gelangten, ist ebenfalls unbekannt. Möglicherweise erwarb sie Kaiser Wilhelm II. auf einer seiner Reisen nach Italien als originale Stickereien des 17. Jahrhunderts und verwendete sie für die barockisierende Ausstattung der Schlossräume. Uta-Christiane Bergemann

Objektart Stickerei / Spitze
Maße Hauptmaß: Höhe (Rückenlehne): 74.00 bzw. 79.50 cm Breite (Rückenlehne je Rückenteil): 65.00 bis 66.00 cm Breite, Sitz: 197.00 cm Breite, Armlehne: 13.00 cm Tiefe (Sitz): 71.00 cm Tiefe (Armlehne): 24.00 cm
Material Beigebraun: Seide, Stickerei, Sitz halber Kreuzstich, Perlstich; Armlehnen Kreuzstich; Rückenlehne Kreuzstich, Perlstich, Steppstich für Konturen der Augen, Lippen, beigebraun
Inventarnummer IX 1007
Stand der Infomationen 2023-10-05 23:54:54
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA

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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Die Hohenzollern ließen ab dem 17. Jahrhundert neben ihrer Hauptresidenz in Berlin verschiedene Schloss- und Gartenanlagen in der Havellandschaft bei Potsdam errichten. Der Gartengestalter Peter Joseph Lenné fasste im 19. Jahrhundert mehrere dieser Schloss- und Gartenensembles zu einer Kulturlandschaft zusammen, die 1990 in die UNESCO-Liste des Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Die 1995 gegründete Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) pflegt diesen Reichtum brandenburgisch-preußischer Geschichte, betreut die Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen und macht sie auf vielfältige Weise der Öffentlichkeit zugänglich. Die SPSG ist ein Zusammenschluss der nach 1945 getrennten Schlösserverwaltungen in Potsdam und West-Berlin und knüpft an die bereits 1927 im Zuge der Vermögensauseinandersetzung mit dem Haus Hohenzollern gegründete preußische Schlösserverwaltung an. Derzeit verwaltet die SPSG über 150 historische Bauwerke sowie rund 800 Hektar Gartenanlagen. Über 30 Häuser aus fünf Jahrhunderten mit ihren hochkarätigen Kunstsammlungen sind der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich. Dazu gehören in Potsdam u.a. das Schloss Sanssouci, die Bildergalerie, das Neue Palais und Schloss Charlottenhof im Park Sanssouci sowie das Marmorpalais und Schloss Cecilienhof im Potsdamer Neuen Garten. In Berlin betreut die SPSG Schloss und Garten Charlottenburg, Jagdschloss Glienicke, Schloss Schönhausen und die Pfaueninsel. Hinzu kommen die märkischen Schlösser Rheinsberg, Königs Wusterhausen, Caputh und Paretz sowie das Schlossmuseum Oranienburg.

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